Expertise Nachhaltiges Wirtschaften – Prof. Dr. Claudia Kemfert: Klimaschutz schafft enorme wirtschaftliche Chancen
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts mahnt politische Umsetzung an, die Lasten des Klimaschutzes nicht auf zukünftige Generationen zu verschieben. Zur Bewältigung der Klimakrise sind Investitionen und Staatshilfen für den notwendigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft notwendig und sinnvoll. Der EU Green Deal bietet dafür erste gute Rahmenbedingungen.
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Claudia Kemfert. Sie war Keynote-Speakerin auf dem Nachhaltigkeitstag Wirtschaft A³ in 2021.
Die Industrie ist für die deutsche Volkswirtschaft elementar. So konnte Deutschland insbesondere seit der letzten Finanzkrise vor über zehn Jahren von einer soliden Industriebasis profitieren und war und ist noch immer weniger anfällig für Finanzkrisen. Die jetzige Krise droht jedoch, anders als in der Finanzkrise, aufgrund der Lahmlegung nahezu aller Wirtschaftsbereiche sich vor allem zu einer Krise der Realwirtschaft auszuweiten. Somit sind die Anforderungen der Politik zur Bewältigung dieser Wirtschaftskrise andere als damals. Der Industriesektor ist durch eine hohe Kapitalintensität und Exportorientierung gekennzeichnet. Allerdings zeigt sich ebenso seit Jahren, dass der Kapitalstock der deutschen Industrie weitestgehend überaltert ist, eine ausgeprägte Investitionsschwäche vorherrscht und zudem die Produktivität kontinuierlich abnimmt. Insbesondere ist auffällig, dass die deutsche Industrie im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig in Wissenskapital investiert. Dies ist jedoch insbesondere in Zeiten der Digitalisierung und notwendigen Modernisierungen aufgrund des Klimaschutzes unerlässlich. Die generelle Investitionszurückhaltung und mangelnde Innovation sind insbesondere vor dem Hintergrund der Erreichung der Klimaziele besonders problematisch.
Emissionen reduzieren durch Innovationen
Die deutsche Industrie muss zur Erreichung der Klimaziele in den kommenden zehn Jahren die Emissionen um etwa 24 Prozent im Vergleich zu heutigen Emissionen senken. Dies gelingt nur, wenn Produktionsprozesse möglichst rasch auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Beispielsweise muss die Fahrzeugfertigung den benötigten Stahl aus CO2 freien Verfahren gewinnen. Eine Möglichkeit ist die Umstellung des Betriebs von Hochöfen von Kohle auf aus erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoff. Da in den kommenden Jahren ohnehin etwa 50 Prozent aller Hochöfen altersbedingt ersetzt werden müssen, ist die Zeit günstig diese jetzt zukunftsfähig und klimaschonend auszurichten. Grüner Wasserstoff ist ebenso für die Chemieindustrie oder aber als Antriebsstoff für Schwerlast-, Schiffs-, oder Flugverkehr in einer klimaneutralen Wirtschaft zentral. Auch die Automobilbranche muss die Produktionsprozesse umstellen – im Individualfahrzeugbereich verstärkt auf Elektromobilität setzen, im Schwerlastbereich werden klimaschonende Antriebe benötigt. Umfangreiche Modernisierungen sind somit dringend erforderlich.
Investitionen als Schlüssel
Seit Langem leidet die deutsche Wirtschaft, vor allem die Industrie, an Investitionsschwäche. Dieser Investitionsstau kann nun durch gezielte Allianzen durch Wirtschaftshilfen überwunden werden. Es sollte das Geld gezielt für Klimaschutz bereitgestellt werden, etwa für Digitalisierung, Smart Grids, Ladeinfrastruktur, klimaschonende Treibstoffe, Batterie- und Solarzellenproduktion oder für Wasserstoff für die Schwerindustrie. Auch der Schienenverkehr muss gestärkt werden. Nur dann wird der Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, wie wir es im Rahmen internationaler Vereinbarungen verbindlich festgelegt haben, gelingen.
Förderung von Wissenschaft und Wirtschaft
Die jahrelange Investitionsschwäche der deutschen Industrie kann nur überwunden werden, wenn neben finanzieller Förderung die existierenden Marktrisiken durch die gezielte staatliche Beteiligung vermindert werden. Durch eine gezielte Förderung einerseits der Forschung und Entwicklung zur Stärkung des Wissenskapitals und andererseits der Investitionen in moderne und klimaschonende Produktionsanlagen, kann die Industrie und die Wirtschaft dauerhaft gestärkt und zukunftsfähig gemacht werden. Die Einrichtung von Investitionsfonds sind ein probates Mittel, mit denen gezielte Investitionsförderprogramme und Investitionspartnerschaften von Unternehmen und Staat entwickelt werden können. Beispielsweise hat Europa auch mit deutscher Unterstützung richtigerweise eine Förderung der Batterieproduktion für Elektromobilität auf den Weg gebracht, um die Autobauer zu unterstützen und so Wettbewerbsnachteile gegenüber asiatischen Herstellern zu vermindern. Insbesondere die Corona-Krise führt einmal mehr vor Augen, wie wichtig die heimische Produktion ist, um sich vor möglichen Lieferunterbrechungen oder willkürlichen Angebotsengpässen zu schützen. Nach dem Muster der EU Batterie-Allianz sollten ebenso weitere Allianzen zur Herstellung und Vertrieb vom grünem Wasserstoff, grünem Stahl, Zement oder klimaschonende Chemie gebildet und finanziell unterstützt werden. Investitionszuschüsse sollten im Rahmen von direkten Investitionsallianzen gewährt werden, indem der Staat nicht nur am Umbau der Industrie hin zur klimaschonenden Kreislaufwirtschaft, sondern auch an späteren Gewinnen beteiligt ist.
Viele Firmen orientieren sich seit einiger Zeit um und investieren bereits in klimafreundliche Technologien wie die Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstoff oder klimaschonende Treibstoffe. Wenn die Politik rückwärts- statt zukunftsgewandt agiert, laufen die Unternehmen Gefahr, dass ihre Investitionen unrentabel werden und dass ihnen der weitere Umbau durch solche politischen Verzögerungen nicht gelingt. Diese Unternehmen brauchen Planungssicherheit und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu gehört die Einhaltung der Klimabeschlüsse.
Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die Schlüsselbegriffe der Zukunft. Vor allem die Digitalisierung wird auch in der Energiewirtschaft nicht mehr wegzudenken sein. Wir brauchen dringender denn je dezentrale Netze, die digital verknüpft werden zu virtuellen Kraftwerken. Es ist technisch kein Problem, dass Häuser mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Das sind Kleinkraftwerke, die wir zusammenschalten können. Dies ist eine Riesenchance für die digitale Energiewende.
In Zeiten der Krise sind vielerlei Innovationen erforderlich. Auch und gerade in der deutschen Industrie. Aber auch seitens der Politik. Speziell zur Förderung der Industrie für mehr Wissenskapital und zum Klimaschutz wären Investitionsallianzen besonders geeignet, die Industrie und somit die gesamte Volkswirtschaft dauerhaft zu stärken.
Der Klimawandel kostet, der Klimaschutz nützt der Wirtschaft, der Gesellschaft und den zukünftigen Generationen. Klimaschutz ist die beste Schuldenbremse für die Industrie und Wirtschaft insgesamt.
Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität;. Sie ist Ko-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen SRU, Mitglied im Präsidium der deutschen Gesellschaft des Club of Rome (DGCOR) sowie im Klimabeirat der Stadt Hamburg und Dresden. 2016 erhielt den Deutschen Solarpreis sowie den Adam-Smith-Preis für Marktwirtschaftliche Umweltpolitik. Sie ist eine mehrfach ausgezeichnete Spitzenforscherin und gefragte Expertin für Politik und Medien.
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts mahnt politische Umsetzung an, die Lasten des Klimaschutzes nicht auf zukünftige Generationen zu verschieben. Zur Bewältigung der Klimakrise sind Investitionen und Staatshilfen für den notwendigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft notwendig und sinnvoll. Der EU Green Deal bietet dafür erste gute Rahmenbedingungen.
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Claudia Kemfert. Sie war Keynote-Speakerin auf dem Nachhaltigkeitstag Wirtschaft A³ in 2021.
Die Industrie ist für die deutsche Volkswirtschaft elementar. So konnte Deutschland insbesondere seit der letzten Finanzkrise vor über zehn Jahren von einer soliden Industriebasis profitieren und war und ist noch immer weniger anfällig für Finanzkrisen. Die jetzige Krise droht jedoch, anders als in der Finanzkrise, aufgrund der Lahmlegung nahezu aller Wirtschaftsbereiche sich vor allem zu einer Krise der Realwirtschaft auszuweiten. Somit sind die Anforderungen der Politik zur Bewältigung dieser Wirtschaftskrise andere als damals. Der Industriesektor ist durch eine hohe Kapitalintensität und Exportorientierung gekennzeichnet. Allerdings zeigt sich ebenso seit Jahren, dass der Kapitalstock der deutschen Industrie weitestgehend überaltert ist, eine ausgeprägte Investitionsschwäche vorherrscht und zudem die Produktivität kontinuierlich abnimmt. Insbesondere ist auffällig, dass die deutsche Industrie im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig in Wissenskapital investiert. Dies ist jedoch insbesondere in Zeiten der Digitalisierung und notwendigen Modernisierungen aufgrund des Klimaschutzes unerlässlich. Die generelle Investitionszurückhaltung und mangelnde Innovation sind insbesondere vor dem Hintergrund der Erreichung der Klimaziele besonders problematisch.
Emissionen reduzieren durch Innovationen
Die deutsche Industrie muss zur Erreichung der Klimaziele in den kommenden zehn Jahren die Emissionen um etwa 24 Prozent im Vergleich zu heutigen Emissionen senken. Dies gelingt nur, wenn Produktionsprozesse möglichst rasch auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Beispielsweise muss die Fahrzeugfertigung den benötigten Stahl aus CO2 freien Verfahren gewinnen. Eine Möglichkeit ist die Umstellung des Betriebs von Hochöfen von Kohle auf aus erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoff. Da in den kommenden Jahren ohnehin etwa 50 Prozent aller Hochöfen altersbedingt ersetzt werden müssen, ist die Zeit günstig diese jetzt zukunftsfähig und klimaschonend auszurichten. Grüner Wasserstoff ist ebenso für die Chemieindustrie oder aber als Antriebsstoff für Schwerlast-, Schiffs-, oder Flugverkehr in einer klimaneutralen Wirtschaft zentral. Auch die Automobilbranche muss die Produktionsprozesse umstellen – im Individualfahrzeugbereich verstärkt auf Elektromobilität setzen, im Schwerlastbereich werden klimaschonende Antriebe benötigt. Umfangreiche Modernisierungen sind somit dringend erforderlich.
Investitionen als Schlüssel
Seit Langem leidet die deutsche Wirtschaft, vor allem die Industrie, an Investitionsschwäche. Dieser Investitionsstau kann nun durch gezielte Allianzen durch Wirtschaftshilfen überwunden werden. Es sollte das Geld gezielt für Klimaschutz bereitgestellt werden, etwa für Digitalisierung, Smart Grids, Ladeinfrastruktur, klimaschonende Treibstoffe, Batterie- und Solarzellenproduktion oder für Wasserstoff für die Schwerindustrie. Auch der Schienenverkehr muss gestärkt werden. Nur dann wird der Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, wie wir es im Rahmen internationaler Vereinbarungen verbindlich festgelegt haben, gelingen.
Förderung von Wissenschaft und Wirtschaft
Die jahrelange Investitionsschwäche der deutschen Industrie kann nur überwunden werden, wenn neben finanzieller Förderung die existierenden Marktrisiken durch die gezielte staatliche Beteiligung vermindert werden. Durch eine gezielte Förderung einerseits der Forschung und Entwicklung zur Stärkung des Wissenskapitals und andererseits der Investitionen in moderne und klimaschonende Produktionsanlagen, kann die Industrie und die Wirtschaft dauerhaft gestärkt und zukunftsfähig gemacht werden. Die Einrichtung von Investitionsfonds sind ein probates Mittel, mit denen gezielte Investitionsförderprogramme und Investitionspartnerschaften von Unternehmen und Staat entwickelt werden können. Beispielsweise hat Europa auch mit deutscher Unterstützung richtigerweise eine Förderung der Batterieproduktion für Elektromobilität auf den Weg gebracht, um die Autobauer zu unterstützen und so Wettbewerbsnachteile gegenüber asiatischen Herstellern zu vermindern. Insbesondere die Corona-Krise führt einmal mehr vor Augen, wie wichtig die heimische Produktion ist, um sich vor möglichen Lieferunterbrechungen oder willkürlichen Angebotsengpässen zu schützen. Nach dem Muster der EU Batterie-Allianz sollten ebenso weitere Allianzen zur Herstellung und Vertrieb vom grünem Wasserstoff, grünem Stahl, Zement oder klimaschonende Chemie gebildet und finanziell unterstützt werden. Investitionszuschüsse sollten im Rahmen von direkten Investitionsallianzen gewährt werden, indem der Staat nicht nur am Umbau der Industrie hin zur klimaschonenden Kreislaufwirtschaft, sondern auch an späteren Gewinnen beteiligt ist.
Viele Firmen orientieren sich seit einiger Zeit um und investieren bereits in klimafreundliche Technologien wie die Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstoff oder klimaschonende Treibstoffe. Wenn die Politik rückwärts- statt zukunftsgewandt agiert, laufen die Unternehmen Gefahr, dass ihre Investitionen unrentabel werden und dass ihnen der weitere Umbau durch solche politischen Verzögerungen nicht gelingt. Diese Unternehmen brauchen Planungssicherheit und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu gehört die Einhaltung der Klimabeschlüsse.
Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die Schlüsselbegriffe der Zukunft. Vor allem die Digitalisierung wird auch in der Energiewirtschaft nicht mehr wegzudenken sein. Wir brauchen dringender denn je dezentrale Netze, die digital verknüpft werden zu virtuellen Kraftwerken. Es ist technisch kein Problem, dass Häuser mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Das sind Kleinkraftwerke, die wir zusammenschalten können. Dies ist eine Riesenchance für die digitale Energiewende.
In Zeiten der Krise sind vielerlei Innovationen erforderlich. Auch und gerade in der deutschen Industrie. Aber auch seitens der Politik. Speziell zur Förderung der Industrie für mehr Wissenskapital und zum Klimaschutz wären Investitionsallianzen besonders geeignet, die Industrie und somit die gesamte Volkswirtschaft dauerhaft zu stärken.
Der Klimawandel kostet, der Klimaschutz nützt der Wirtschaft, der Gesellschaft und den zukünftigen Generationen. Klimaschutz ist die beste Schuldenbremse für die Industrie und Wirtschaft insgesamt.
Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin und ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität;. Sie ist Ko-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen SRU, Mitglied im Präsidium der deutschen Gesellschaft des Club of Rome (DGCOR) sowie im Klimabeirat der Stadt Hamburg und Dresden. 2016 erhielt den Deutschen Solarpreis sowie den Adam-Smith-Preis für Marktwirtschaftliche Umweltpolitik. Sie ist eine mehrfach ausgezeichnete Spitzenforscherin und gefragte Expertin für Politik und Medien.
Kontakt
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW Berlin)
Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt, Department Energy, Transportation, Environment
Mohrenstraße 58
10117 Berlin
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