Darum geht’s:
Das Grandhotel Cosmopolis verknüpft die soziale Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern mit bürgerschaftlichem Engagement, kultureller Vielfalt und künstlerischer Entfaltung.
In der Lobby hängen alte Uhren. Jede sieht anders aus, keine von ihnen tickt gleich. Darunter sind Städtenamen geschrieben – Lampedusa, Manila, Port-au-Prince, Gaza. Wer das Grandhotel Cosmopolis im ruhigen Augsburger Domviertel besucht, stellt schnell fest: Das ist ein außergewöhnlicher Ort. Denn hier werden eine Unterkunft für asylsuchende Menschen, Künstlerateliers als auch Hotelzimmer für Reisende unter einem Dach vereint.
Ehemaliges Altenheim wird zum Grandhotel
Alles begann im Jahr 2011. Drei Kunstschaffende waren auf der Suche nach neuen Räumen. Dabei stießen sie auf das ehemalige Altenheim der Diakonie im Springergässchen, das seit einigen Jahren leer stand. Zur gleichen Zeit wollte die Regierung von Schwaben das Objekt zu Unterkunftsräumen für Asylbewerber umfunktionieren. Das inspirierte die Künstler und ihre Idee war geboren: Alle Interessen sollen in diesem Gebäude vereint werden. Die Verhandlungen und Genehmigungen, Renovierungsarbeiten sowie Informationsphasen zogen sich über zwei Jahre. Etwa 500 Menschen haben sich mit insgesamt über 100.000 unbezahlten Arbeitsstunden bei der Neugestaltung engagiert. Im Juli 2013 konnten schließlich die ersten asylsuchenden Bewohner einziehen. Ein paar Monate später startete der Hotelbetrieb für Reisende.
Heute vermietet die Diakonie als Eigentümerin das sechsstöckige Gebäude an zwei Parteien: Zum einen an die Regierung von Schwaben, die die „Gemeinschaftsunterkunft Springergässchen 5“ führt. Zum anderen an den gemeinnützigen Verein „Grandhotel Cosmopolis e.V.“, der das übrige Gebäude mietet. Dazu gehören das Hotel, die Ateliers, die Gaststätte sowie die Café-Bar. Durch Einnahmen aus Hotel- und Gastronomiebetrieb, Spenden, Sachleistungen und zum Teil Stiftungs- und Fördergelder kann das Projekt finanziell getragen werden.
So macht das Projekt die Zukunft besser:
Im Grandhotel werden Hotelgäste mit und ohne Asyl gleich behandelt. Damit wird ein Statement gegen Ausgrenzung und für ein Leben in Würde und Freiheit gesetzt.
Wichtige Gespräche mit der Nachbarschaft
Den Initiatoren des Projekts war es von Anfang an wichtig, den Diskurs mit den umliegenden Anwohnern zu suchen. Denn nur, wenn das Grandhotel zu einem akzeptierten Ort in der Stadt wird, kann auch eine Willkommenskultur geschaffen und gelebt werden. Daher öffnete das Team schon mit Beginn des Projekts die Türen des Hauses für Anwohner und Nachbarn. In Führungen erklärten sie die Idee der multifunktionalen Einrichtung und im Dialog konnten so erste Vorbehalte abgebaut und Vertrauen geweckt werden.
Hotelgäste „mit und ohne Asyl“ – Teilhabe für alle
Viele nennen das, was im Grandhotel Cosmopolis passiert, eine „Soziale Skulptur“, gar ein gesellschaftliches Gesamtkunstwerk. Denn nur durch Partizipation kann es fortbestehen. Zweifelsohne – das Konzept ist bundesweit einzigartig, genauso wie die Unterschiedlichkeit der Menschen, die daran teilhaben: 60 Hotelgäste „mit Asyl“ finden im Grandhotel eine Heimat auf Zeit. Unter ihnen sind Familien, unbegleitete Minderjährige, Frauen und Männer unterschiedlicher Herkunft. Während des Aufenthalts arbeiten sie nach ihren Möglichkeiten im Hotelbetrieb mit, zum Beispiel in der Küche.
Individuell gestaltete Hotelzimmer mit Namen wie Grande Dame bieten Hotelgästen „ohne Asyl“ eine Bleibe. Sie kommen als Reisende, Geschäftsleute oder Studierende nach Augsburg. Auch sie können jederzeit mitanpacken. Zu guter Letzt sind es Kunst- und Kulturschaffende, die in den Ateliers an eigenen Projekten arbeiten und mit kreativen Ideen den Hotelablauf bereichern. Jobs wie die Zimmerreinigung, Deutschunterricht oder Kaffee servieren werden von Freiwilligen übernommen. Sie unterstützen die Geflüchtete bei Anträgen oder Behördengängen; kämpfen für die Zukunft einzelner Bewohner, die abgeschoben werden sollen. Dafür starten sie Aktionen, um Unterschriften zu sammeln und Petitionen einzureichen. Auch die Bewohner des umliegenden Viertels finden im Grandhotel eine Begegnungsstätte. So wird zum Beispiel täglich ein frisches Mittagessen in der Gaststätte angeboten und die Café-Bar sowie der Teegarten laden ebenfalls zum Austausch ein.
Besonderheit des Projekts:
- Das Grandhotel setzt bei seinen Preisen ganz auf das Motto: Zahle, was du kannst.
- Es wurde als deutschlandweites Modellprojekt bereits vielfach ausgezeichnet.
- Die Ausstattung im gesamten Hotel stammt aus Sozialkaufhäusern, vom Sperrmüll oder wurde gespendet.
Kunst als Bindeglied
Schon oft hat sich die Kunst als Stärke des Hauses erwiesen. So beteiligt sich das Grandhotel seit 2012 jährlich am Augsburger Hohen Friedensfest. Das Team arbeitet mit dem Augsburger Stadttheater zusammen, veranstaltet Konzerte, Ausstellungen und Workshops wie zum Beispiel die „interkulturelle Erzählwerkstatt“, bei der die Teilnehmer eigene Werke erschaffen. Ein großes Projekt war auch die „Grandhotel Cosmopolis Peace Conference“ 2015. Kurzum: Das Grandhotel ist heute ein fester Bestandteil des städtischen Kulturlebens.
Begegnungen auf Augenhöhe
„Grandhotels“ stehen seit jeher für soziokulturelle Orte der Begegnung. So auch das Grandhotel Cosmopolis, wo Menschen unterschiedlichen Backgrounds zusammenkommen. Kulturelle Vielfalt wird hier als Chance begriffen. Mit seinem einzigartigen Konzept setzt es innerhalb des Stadtviertels, aber auch weit darüber hinaus, gesellschaftsverändernde Impulse. Dank des Engagements und Einsatzes vieler Augsburger wird ein friedvolles Miteinander in der Stadt geschaffen.